Ex Libris – Die Public Library von New York



Nicht einfach eine Bibliothek, sondern einen ganzen Kosmos von Orten des Lernens, des Miteinanders, des Zusammenhalts in Zeiten zunehmender sozialer Spannungen, hat der 88jährige Frederick Wiseman dokumentiert.

Viele New York-Besucher kennen das markante Hauptgebäude der Public Library, dass sich im Herzen Manhattans befindet, an einem Park gelegen, eine große Treppe, gerahmt von zwei großen Löwen-Skulpturen. Hier hat Frederick Wiseman viele Szenen seiner jüngsten Dokumentation gefilmt, doch dass sein Fokus nicht etwa auf den banalen Strukturen einer Bibliothek liegt, dürfte Kenner seiner Filme nicht überraschen. Wiseman gilt als klassischer Vertreter eines inzwischen bedauerlicherweise nicht mehr oft gesehenen Zweig des dokumentarischen Kinos, der sich größte Zurückhaltung auflegt, der nur beobachtet, keine Szenen nachstellt, auf den Einsatz von Interviews, Musik und anderer Stilmittel verzichtet. Wochen- bzw. monatelang taucht Wiseman stets in eine Institution ein, sei es ein Krankenhaus, eine Schlachterei, Militäranlagen oder Museen, sammelt Material, lässt sich von seinem Gespür leiten und formt das Material dann zu seinen inzwischen meist sehr langen, selten unter drei Stunden langen Filmen.

Stets hatten Wisemans Filme trotz offensiv zur Schau gestellter Objektivität, eine subjektive Note, ein soziales Anliegen. Man kann nun davon ausgehen, dass es dem so genauen, bewussten Beobachter Wiseman in den letzten Jahren zunehmend unwohl angesichts mancher Entwicklungen seiner Heimat geworden ist: Die zunehmenden Grabenkämpfe im politischen Wesen, die wieder stärker werdende soziale Kälte, zunehmend ruppigere Umgangsformen, Entwicklungen, die durch die Wahl Trumps noch beschleunigt wurden und werden. In zahlreichen der 92 Dependancen der Bibliothek, die über die fünf New Yorker Stadtteile verteilt sind, hat Wiseman gefilmt. Einen breiteren Kosmos der Bildung und des Wissens, vor allem aber des sozialen Miteinanders beschreibt er im Laufe von drei Stunden, ein Symbol für ein anderes Amerika, ein Amerika, dass zwar manchmal ein wenig bürokratisch und träge abläuft, aber die Basis für eine andere Zukunft zu legen verspricht, als es den meisten Politikern des Landes scheinbar wichtig ist.

Dokumentation
USA 2017
Regie: Frederick Wiseman
197 Minuten
ohne Altersbeschränkung

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