Kolyma



Die Reise durch Sibirien auf der „Straße der Knochen“ als absurd schräger Trip, eine Art Tour de Farce, mit bärbeißigem Humor. Ein kunstvolles, manchmal rätselhaftes Dokument über Menschen am Ende der Welt.

„Man darf nichts zu verlieren haben, um heute hier leben zu wollen.“ So lautet das Motto über diesem Film, in dem Lachen und Verzweiflung dicht beieinanderliegen. Die „Straße der Knochen“, so genannt nach den sibirischen Zwangsarbeitern, die hier ums Leben kamen oder ermordet wurden, ist auch im modernen Russland eine vergessene Region. Der Sommer ist kurz, der Winter lang – sehr lang – und die Menschen, die sich der Kamera stellen, sind manchmal vielleicht einfach froh, dass sich jemand mit ihnen unterhält. Die Landschaft ist karg, der Permafrost-Boden taut manchmal auf, hier und da liegt Schnee, in der Tundra regnet es häufig, nur selten ist mal die Sonne zu sehen. Im Mittelpunkt stehen die Menschen, die hier leben. Manche sind hier gestrandet, einige kamen als Flüchtlinge, andere waren Häftlinge, nur wenige haben ihre Wurzeln hier. So wird die Fahrt über 2000 Kilometer entlang dem Kolyma zur Reise in die Vergangenheit.

Ähnlich wie in seiner Schwarzmeer-Reise „Tristia“ hat Stanislaw Mucha wieder ein Roadmovie als Filmcollage gedreht. Die Kamera bleibt meist statisch, was ganz gut ist, denn das, was zu sehen ist, muss manchmal erstmal sacken. Die Gesprächspartner, die Stanislaw Mucha gefunden hat, sind eine Auswahl exquisiter Originale, lauter schräge Typen. Dazu liefert Stanislaw Mucha originelle Bilder aus dem sibirischen Alltag. Alles ohne Kommentar und Erklärungen. Unterbrochen werden die Interviews von beinahe bizarren Hobby-Kulturpräsentationen. Häufig sind es Kindertanzgruppen, die – ganz im Stil der Ex-Sowjetunion – Tänze und Songs zeigen. Diese skurrilen Revuenummern, gleichzeitig rührend und komisch, tragen ein bisschen Leichtigkeit in den Film, der im Grunde vom Leben mit einer traurigen Vergangenheit handelt, vom Wissen darüber, was Menschen hier anderen Menschen angetan haben. Am Ende gibt es dazu ein interessantes Statement, und vielleicht war die gesamte Reise von 2025 Kilometern bis Jakutsk nur die Vorbereitung für den Schluss.

Dokumentarfilm
Deutschland 2017
Buch, Regie: Stanislaw Mucha
85 Minuten
ab 12 Jahren

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