Transit

Ein Flüchtling nimmt die Identität eines Toten an. Nach Anna Seghers Roman von 1942 werkgetreu verfilmtes Flüchtlings-Melodram, das jedoch in einer Welt spielt, die wie die Gegenwart aussieht, aber vor allem zeitlos ist

In Paris findet der Flüchtling Georg (Franz Rogowski) keinen Unterschlupf, bald muss er vor den anrückenden deutschen Truppen nach Marseille fliehen, doch zuvor will er einem Freund einen Gefallen tun. Er soll dem Schriftsteller Weidel einen Brief überbringen – doch in dessen Hotelzimmer muss er feststellen, dass der Autor sich das Leben genommen hat. Kurzentschlossen nimmt Georg dessen Papiere an sich, ein Romanfragment, vor allem aber ein Transitvisum nach Mexiko und schlägt sich nach Marseille durch. Im mexikanischen Konsulat will er die Papiere abgeben und findet sich plötzlich, fast ohne eigenes dazutun, in der Rolle Weidels wieder, mit einem Visum und einer Schiffspassage, fast gerettet. Doch immer wieder läuft ihm in Marseille eine schöne, junge Frau über den Weg, die sich bald als Marie (Paula Beer) herausstellt, Weidels Frau, genauer gesagt seine Witwe, doch vom Tod ihres Mannes ahnt sie nichts...

Wie ein klassisches Melodram liest sich die Handlung für den achten Kinofilm von Christian Petzold, den vierten, der im Wettbewerb der Berlinale debütierte. Ein guter Platz für einen Film, der es schafft, sich mit der aktuellen Flüchtlingsdebatte zu beschäftigen, ohne auch nur im Ansatz didaktisch oder ideologisch zu werden. Dieses Kunststück gelingt Petzold mit dem ebenso einfachen wie brillanten Kniff, den Roman Seghers gleichzeitig ganz werkgetreu zu verfilmen, ihn aber in einer Welt spielen zu lassen, die wie die Gegenwart wirkt. Unheimlich genau beschreiben Seghers vor 75 Jahren geschriebene Worte die Gegenwart Europas, in der zwar kein faschistisches Regime auf dem Kontinent für Angst und Schrecken sorgt, die Angst vor Flüchtlingen aber vielerorts ähnliche Ausmaße angenommen zu haben scheint. Mit Franz Rogowski hat Petzold einen idealen Hauptdarsteller für die passive, fast verschüchterte Hauptfigur gefunden, die lange nur Beobachter des eigenen Schicksals ist. Einerseits ein typischer Petzold, ist „Transit“ doch eine ungewöhnliche, aber doch konsequente Weiterentwicklung im Werk eines der seit Jahren spannendsten deutschen Regisseure.
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Deutschland 2018
Regie: Christian Petzold
Darsteller: Franz Rogowski, Paula Beer, Godehard Giese
101 Minuten
ab 12 Jahren

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