Wilde Maus

„Es wird Leserproteste geben!“, tobt Star-Kritiker Georg, als er von seiner plötzlichen Entlassung erfährt. „Das glaube ich nicht. Ihre Leser sind großteils tot“ bekommt er als schnippische Antwort vom aalglatten Chef. Von der Edelfeder zum begossenen Pudel in weniger als einer Minute! Georg schwankt zwischen Wut und Ohnmacht. Auch privat ziehen dunkle Krisenwolken auf. Die viel jüngere Gattin Johanna (Pia Hierzegger), eine attraktive Psychologin, will endlich unbedingt ein gemeinsames Kind zeugen. Frustriert flieht der Feuilletonist in den Vergnügungspark. Mit einer Fahrt auf der Liliputbahn will er sich ablenken, der Zug seines Lebens scheint sowieso längst ohne ihn abgefahren. Wie es der Zufall will, wird auch der Lokführer der kleinen Eisenbahn vor Georgs Augen entlassen. Und: Es ist sein ehemaliger Mitschüler Erich (wie immer grandios: Georg Friedrich), der schon damals ein ziemlicher Proll war. Gemeinsam werden die beiden im Prater eine ramponierte Achterbahn, die „Wilde Maus“, in Schwung bringen. Und, viel wichtiger, am fiesen Chefredakteur bittere Rache üben.

Die große Krise im Printjournalismus ist bekannt. Josef Hader nutzt das Thema geschickt, um daraus eine universelle Satire über die Orientierungslosigkeit und Ohnmacht des politisch korrekten Mittelstands zu machen. Die ständigen TV-Nachrichten über Flüchtlinge etwa laufen völlig unbeachtet wie Hintergrundmusik. Viel eifriger plaudern die Figuren über ihre Sorgen bei der richtigen Auswahl von veganem Essen: Wenn Wirklichkeit auf Komik trifft. Neben diesem Blick auf gesellschaftliche Befindlichkeiten bietet die „Wilde Maus“ einen Beziehungsfilm, ein Buddy-Movie sowie ein asiatisches Rachedrama. Wie in seinen Bühnen-Programmen, erweist sich Hader auch auf der Leinwand als Maestro der treffsicheren Pointen. Statt substanzlosen Späßchen oder bloßem Wortspiel-Geplapper entsteht seine Komik stets aus der Situation heraus und dient der Geschichte. Und wie Loriot es einst so grandios zelebriert hat, erkennt auch Hader den dramaturgischen Mehrwert von gut gesetzten Pausen und absurden Überraschungen. Da streitet etwa das Paar existenziell über das Ende ihrer Beziehung – und plötzlich platzt die Putzfrau in den Raum. Nach diesem großen Wurf mit seinem Regie-Debüt gilt für Josef Hader allemal, was er seinen Helden einmal sagen lässt: „Ich bin ja auch nicht irgendwer. Ich bin eine Instanz!“.

Österreich, Deutschland 2016
Regie: Josef Hader
Darsteller: Josef Hader, Pia Hierzegger, Jörg Hartmann
103 Minuten
ab 12 Jahren

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