Elle

Vielschichtige, brillante und pointierte Gesellschaftssatire, in der Isabelle Huppert zwar vergewaltigt wird, sich aber nicht wie das „typische“ Opfer verhält.

Michèle (Isabelle Huppert) ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin und besten Freundin Anna (Anne Consigny) ein Softwareunternehmen leitet, das mit brutalen, sexuell aufgeladenen Ego-Shootern viel Geld verdient. Zudem hat sie einen an sich selbst zweifelnden Ex-Mann (Charles Berling), einen Sohn (Jonas Bloquet), der sein Leben nicht in den Griff bekommt und sich von seiner Freundin ein Kind anhängen lässt, einen Liebhaber (Christian Berkel), der dummerweise auch Annas Ehemann ist und eine Mutter (Judith Marge), die sich einen sehr jungen Lover hält. Zudem ist Michèle die Tochter eines Serienkillers, der seit Jahrzehnten wegen des Mordes aller Kinder der Nachbarschaft im Gefängnis sitzt und auch Michèle immer wieder zum Opfer von Anfeindungen werden lässt.

Vielleicht deswegen ruft sie nicht die Polizei, als sie in der ersten Szene des Films von einem maskierten Mann vergewaltigt wird. Stattdessen fegt sie die Scherben zusammen, duscht und bestellt sich Sushi. Am nächsten Tag geht sie ganz normal zur Arbeit und erzählt ihren Freunden beim gemeinsamen Essen von der Tat. Als merkwürdig, als untypisch nehmen auch ihre Freunde Michèles Verhalten wahr und so geht es wohl auch vielen Zuschauern. Dass Michèle nicht zusammenbricht, nicht weint, nicht gebrochen ist, entspricht nicht dem Bild, das im Allgemeinen von einem Vergewaltigungsopfer gezeichnet wird. Dass Michèle anderes reagiert, sich zwar mit Pfefferspray bewaffnet, in ihrer Firma und ihrem Umfeld nach dem Täter forscht, aber nicht in Angst erstarrt, darf man nun wiederum nicht so auffassen, dass Paul Verhoeven die physischen und vor allem psychischen Folgen einer Vergewaltigung bagatellisieren würde. In „Elle“ geht Verhoeven so weit wie selten: Keine der Männerfiguren kommt gut weg, allesamt sind es nur scheinbare Vertreter des starken Geschlechts, die sich meist hinter offensiv zur Schau gestellten Männlichkeit - und Sexualität - verstecken, in Wirklichkeit aber von Selbstzweifeln und Schwäche geplagt sind. Umso passender, dass am Ende des Films zwei Frauen gemeinsam in den Horizont gehen, in gewisser Weise die Männer hinter sich lassend.

Frankreich 2016
Regie: Paul Verhoeven
Buch: David Birke, nach dem Roman von Philippe Dijan
Darsteller: Isabelle Huppert, Laurent Lafitte, Anne Consigny, Charles Berling, Virginie Efira, Judith Magre, Christian Berkel, Jonas Bloquet
130 Minuten
ab 16 Jahren

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