Die Blumen von gestern

Beinahe romantische Komödie um zwei Soziopathen, die sich untereinander aufs Feinste befehden. Trotz hoher Slapstickdichte seriös und wenig barmherzige, aber dafür warmherzige Lehrstunde in Sachen (Schwarz-)Humor, der bekanntlich heilsame Wirkung haben kann.

Totila Blumen ist Holocaust-Forscher und entspricht voll und ganz dem Klischee eines Wissenschaftlers, der sein Leben einem Thema gewidmet hat, das von Tragik und Elend handelt. Er ist humorlos bis zur Verkniffenheit, hoch neurotisch und ein emotionales Notstandsgebiet, wozu auch seine Ehe mit Hannah beiträgt. Und gerade hat es Totila mal wieder voll erwischt: Ein ungeliebter Kollege, der ölige Balthasar „Balti“ Thomas wird unerwartet sein Vorgesetzter, und dann setzt man ihm auch noch eine französische Praktikantin vor die Nase, die so ungefähr alles verkörpert, was Totila hasst: Schon in den ersten Minuten entpuppt sie sich als Ganztagshysterikerin – ein Unglück, auf dem Weg, wo es geschehen könnte. Außerdem ist sie Baltis Geliebte, aber das weiß Totila noch nicht. Er hat nämlich alle Hände voll damit zu tun, einen Holocaust-Kongress zu organisieren.

Das also ist die Ausgangssituation. Chris Kraus hetzt Totila und Zazie aufeinander, dass es nur so scheppert. Hier treffen sich Screwball und Slapstick, und zwar interessanterweise vor dem Hintergrund der Holocaust-Forschung. Dabei wird immer offensichtlicher, dass beide, sowohl Totila als auch Zazie, nicht nur ein wissenschaftliches Interesse verfolgen, sondern dass sie ihren Beruf aufgrund ihrer Familiengeschichte gewählt haben. Sie sind als Nachkommen von Opfern und Tätern gezeichnet durch die Wunden der Vergangenheit. Was Chris Kraus wagt, ist bemerkenswert und mutig: Er greift sich eine tabubeladene Story, die nach Tragik, Schmerz und Düsternis schreit, und macht daraus eine irrwitzige Komödie, die sich durchaus mit „Frühling für Hitler“ nebst Musicalverfilmung und „Sein oder Nichtsein“ und natürlich auch mit „Schtonk“ vergleichen lässt. Das gilt nicht nur für die Gagdichte, sondern vor allem für den respektlosen und dennoch liebevollen Umgang mit Menschen, so wie es sich für eine gute Satire gehört. Chris Kraus zeichnet schonungslos originelle Charaktere, die in sich und im Zusammenspiel miteinander geradezu atemberaubend realitätsnah sind und gerade deshalb sehr komisch. Vielleicht können die Wunden der Vergangenheit irgendwann geheilt werden? Und vielleicht hilft es ja, die Thematik etwas weniger verbissen zu betrachten. Humor kann sehr gesundheitsfördernd sein, auch für den Geist – und das gilt umso mehr für diesen Film, der sehr viel Spaß macht, wunderbar kurzweilig ist und trotzdem von Minute zu Minute ernsthafter wird. Kurz und gut: Unterhaltung vom Feinsten auf hohem Niveau!

Deutschland, Österreich 2016
Regie: Chris Kraus
Darsteller: Lars Eidinger, Adèle Haenel, Hannah Herzsprung
120 Minuten
ab 12 Jahren

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