American Honey

Eine junge Amerikanerin sucht ihr Glück sowie die ganz große Liebe in einer Drücker-Kolonne. Rigoroses Porträt über Teenager in den USA, das auf gängige Erzählformen verzichtet und auf Stimmung, Atmosphäre sowie Handkamera-Bilder der vibrierenden Art setzt

Gleich mit den ersten Bildern ist das Elendsszenario festgezurrt: Eine junge Frau stöbert mit einem kleinen Kind im Abfallcontainer nach Lebensmitteln. Danach versucht sie vergeblich als Anhalterin ihr Glück. Schließlich landet sie auf dem Parkplatz eines Supermarktes, wo ihr der charmante Jake ein verführerisches Angebot macht: Ein lukrativer Trip durch die USA mit einer lässigen Teenager-Truppe. Viel Geld. Viel Spaß. Viel Liebe. Viel Zeit zum Überlegen bleibt nicht, bereits am nächsten Morgen geht die Reise los. Star, so der Name der Heldin, zögert nicht lange. Schnell wird dem Neuling das Geschäftsmodell klargemacht: Je mehr Zeitschriften-Abos einer verkauft, desto größer die Provision. Wer die wenigsten Abschlüsse schafft, wird von der Drücker-Kolonne kollektiv mit einem gnadenlosen Ritual bestraft. Star plagen Skrupel bei solchen Methoden. Doch ihr Schwarm Jake zerstreut die Zweifel mit seinen Verführungskünsten. Das Drama spitzt sich zu, als Star sich von drei vergnügungssüchtigen Cowboys in deren Villa einladen lässt...

Wer eine klassische Road Movie-Love Story nach gängigem Erzählmuster erwartet, wird klar enttäuscht. Wer ein entwickeltes Figurenkabinett mit tiefgründigen Konflikten erwartet, sitzt gleichfalls im falschen Film. Umso mehr kommt auf seine cineastischen Kosten, wer sich gerne auf einen semidokumentarischen Trip in die Untiefen des amerikanischen Teenager-Lebens begibt, dessen virtuos virtuelles Konzept mit einer Wundertüte eindrucksvoller Bilder besticht. Der irische Kameramann Robbie Ryan hat bereits mit „Slow West“, „Philomena“ oder dem Cannes-Gewinner „Ich, Daniel Blake“ sein außergewöhnliches Talent unter Beweis gestellt. Hier findet er mit der Handkamera vibrierende Bilder, die durch das ungewöhnlichen 4:3 Format zusätzliche Wirkung bekommen. Auf ein schlüssiges Psychogramm der Akteure wird bewusst verzichtet, dafür sprechen deren Gesichter Bänder. Als dramaturgischer Coup erweist sich dabei die Mischung aus Laien-Darstellern und Profis. Das schauspielerische Duell zwischen der Debütantin Sasha Lane und Hollywood-Star Shia LaBeouf wird zu einer Klasse für sich. Wie üblich überzeugt Regisseurin Andrea Arnold durch die Unaufdringlichkeit ihrer Gesellschaftskritik. Wer will, kann diese profitorientierte Generation, der die Werte längst verloren gingen, als Metapher der Hedgefonds-Heuschrecken-Mentalität sehen: Der American Dream als Abzocker-Alptraum. Prinzip Hoffnungslosigkeit.

Großbritannien 2016
Regie: Andrea Arnold
Darsteller: Sasha Lane, Shia LaBeouf, Riley Keough
162 Minuten

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