Der Moment der Wahrheit

Als Fernsehproduzentin ist Mary Mapes ein Ass: Sie plant, recherchiert, schreibt, organisiert, schneidet ihre Beiträge und schafft es sogar, gut gelaunt zu sein. Für die Nachrichtensendung „60 Minutes“ des Senders CBS hat sie nun einen ganz großen Fisch an der Angel: Es gibt Hinweise darauf, dass George Bush jr., der gerade um seine Wiederwahl als Präsident kämpft, im Vietnamkrieg eine sehr, sehr ruhige Kugel geschoben hat. Weil der Sender den Druck erhöht und den Sendetermin immer weiter nach vorne verlegt, arbeiten Mary und ihr Team rund um die Uhr. Sie telefonieren, recherchieren, reisen herum und führen Interviews mit Ex-Militärs, die oft nur mit viel Überzeugungsarbeit zur Aussage bereit sind. Die Arbeit scheint sich zu lohnen: Der Beitrag wird rechtzeitig fertig, und alle Beteiligten sind davon überzeugt, dass sie den militärbegeisterten Chefpatrioten Bush als Drückeberger entlarvt haben. Doch zur allgemeinen Bestürzung ist das nach der Sendung gar kein Thema. Vielmehr geht es um die mögliche Fälschung von kopierten Dokumenten, die Mary Mapes zugespielt wurden. Immer mehr gerät sie selbst ins Fadenkreuz eines offensichtlich organisierten Shitstorms...

Bis heute ist Mary Mapes der Meinung, dass sie seriöse Arbeit geleistet hat. Zu Recht interessiert es niemanden, unter welchem Zeitdruck ihr Beitrag entstanden ist, mit welchen Problemen sie bei den Recherchen zu kämpfen hatte und welches Risiko sie einging, als sie sich selbst ins Fadenkreuz der rechten Populisten stellte. Spätestens hier wird der Film zum aktuellen Dokument, schwallt doch der Begriff „Lügenpresse“ seit Neuestem durch das Land wie ekelhaft klebriger Nebel. Mary Mapes hat nicht versucht, ihren Kopf zu retten, sondern sie wollte ihre journalistische Ehre bewahren. Cate Blanchett spielt diese Journalistin als kluge, besonnene Frau, die professionell und mit Leidenschaft ans Werk geht. Dass sie dabei auch noch eine Familie hat, ist endlich einmal kein Thema, sondern selbstverständlicher Teil ihrer komplexen Persönlichkeit. Das ist keine übliche Frauenstory rund um die üblichen Themen Rollenverhalten, Familie und Karriere etc., sondern eine knackige Mediengeschichte. James Vanderbilt hat sehr gute Drehbücher geschrieben (u. a. „Zodiac“), seine erste Regiearbeit stimmt optimistisch. „Der Moment der Wahrheit“ ist ein beinahe klassisches Journalistendrama ohne effektvolles Getöse: ein sehenswerter Film über Menschen auf der Suche nach der Wahrheit, über die akribische Arbeit, die dahintersteckt, und ein spannendes Loblied auf den klassischen Journalismus.

USA 2015
Regie: James Vanderbilt
Darsteller: Cate Blanchett, Robert Redford, Topher Grace
126 Minuten
ohne Altersbeschränkung

Bild

Spielzeiten: