Remainder

Ein junger Mann lebt zwischen Traum und Wirklichkeit in einer Welt, die er sich nach einem Unfall in allen Einzelteilen neu zusammenkauft, um sie zu verstehen. Ebenso anspruchsvoller wie begeisterungswürdiger Thriller für ein intelligentes Publikum

Tom hat nach einem furchtbaren Unfall sein Gedächtnis verloren – ein merkwürdiger Gegenstand, vielleicht ein Flugzeugteil, ist auf ihn gefallen, als er mit einem Trolley auf der Straße stand, und nun muss er komplett neu lernen, seinen Körper und seinen Geist zu beherrschen. 8 ½ Millionen Pfund Schadenersatz kommen unerwartet und gerade rechtzeitig, bevor er zugrunde geht. Er verwendet das Geld, um mit Hilfe der schemenhaften Erinnerungen, die ihm geblieben sind, seine alte Welt zu rekonstruieren. Dabei hofft er, dass er sich erinnert, wenn die nachgestellten Bilder, Töne und Geräusche mit denen in seinem Kopf vollständig übereinstimmen. Tom engagiert einen halbwegs windigen Typen, Naz, der ihm dabei helfen soll. Naz wird zum Producer und Tom zum Regisseur und Hauptdarsteller seiner eigenen Lebensgeschichte. Doch für Tom entwickelt sich die Suche nach seiner Persönlichkeit zur Obsession, in der er sich vollständig zu verlieren droht. Dabei steigen Toms Ansprüche immer mehr. Die Schauspieler, die er engagiert hat, um Figuren aus seinem (vielleicht) vormals realen Leben darzustellen, müssen nach seiner Pfeife tanzen, und Tom ist irgendwann nur noch ein ziemlich fieser Diktator, der mit Geld eine Welt erschaffen will, die es vielleicht nie gegeben hat...

Letztlich ist Tom zwar der eigentliche Hauptdarsteller in einem Leben, das er nicht mehr kennt. Doch die Gewissheit wird immer stärker, dass er, wie so viele andere, vielleicht noch nie ein anderes Leben geführt hat als dieses, in dem er sein Leben sucht. Seine Bilderwelten sind nicht nur unvollständig, sie sind möglicherweise symptomatisch für eine Zeit, in der die persönliche Wahrnehmung immer höher bewertet und immer schwieriger wird. Lukas Strebel (Kamera) leistet großartige Arbeit, denn ihm gelingt es in seiner Bildgestaltung, diese Visionen kühl und brutal festzuhalten. So wirken sie wahnhaft und real zugleich. Dieser Film besitzt eine ungeheure Power, unabhängig davon, ob er beim Publikum mehr Spannung, mehr Verwirrung oder innere Unruhe bewirkt. Er ist sehr starkes, auf die Leinwand gebrachtes Kopfkino und funktioniert ähnlich wie ein Geduldsspiel, das man immer wieder neu zusammensetzt im Glauben, es könnte irgendwann ein einfaches Muster entstehen, das sofort verständlich ist. Aber das geschieht nicht. Stattdessen kann sich das Publikum an einem hoch spannenden, intellektuellen Vexierspiel mit einem Touch von Existenzphilosophie erfreuen. Ein Film wie ein Alptraum, aus dem man nachdenklich, aber sehr gern erwacht und sich darüber freut, wie einfach doch das eigene Leben ist.

GB, Deutschland 2015
Regie: Omer Fast
Darsteller: Tom Sturridge, Cush Jumbo, Ed Speleers, Danny Webb
97 Minuten

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