Ein letzter Tango

„Es wird nie wieder ein Tango-Paar wie uns geben. Ich glaube, wir waren das Tanzpaar des 20. Jahrhunderts und des 21. auch“ - solche Sätze klingen nicht ganz unbescheiden. Doch sie dürften zutreffen und aus dem Mund der 80-jährigen María Nieves wirken diese Worte so ganz und gar nicht prahlerisch. Der Weltruhm ist der reizenden alten Dame nie zu Kopf gestiegen. Sie stammt aus armen Verhältnissen, ihre Herkunft hat sie nie vergessen. Als Teenager lernte María ihren Juan Carlos kennen, sie war 14, er drei Jahre älter. „Ich hatte mich verliebt. Der Tanz war eine Ausrede“, erinnert sie sich an damals. Die „Ausrede“ sollte sich zu einer Sensation auf dem Parkett entwickeln. Das Duo revolutionierte den Tango, machte ihn zu einem internationalen Phänomen und begeistert ein halbes Jahrhundert als tanzendes Traumpaar die Menschen. Hinter den Kulissen spielte sich derweil ein Drama ab. Die große Liebe gerät aus dem Takt, die Ehe scheitert. Der hübsche Juan wendet sich anderen Frauen zu, heiratet und bekommt Kinder. María verzweifelt, doch tapfer tanzt sie weiter. The show must go on, bis es 1997 schließlich auch künstlerisch zur Trennung kommt.

Dem in Buenos Aires geborenen deutschen Regisseur German Kral („Der letzte Applaus“) ist es gelungen, das legendäre Paar noch einmal zu einer Begegnung zu überreden, zu einem letzten Tango, wie er Titel gebend hofft. Immerhin gehen die zwei Alten auf einer Theaterbühne tatsächlich aufeinander zu. Das Tuch ist freilich längst zerschnitten, so erzählen die beiden vor der Kamera getrennt von ihrem Leben. Kral bietet mehr als den gängigen Doku-Standard. Mit Archivaufnahmen und nachgestellten Tanz-Szenen bewältigt er die Zeitsprünge mit müheloser Eleganz. Besser noch: Er überlässt die Befragung von María vielfach den jungen Tänzern und Tänzerinnen, die die berühmten Sequenzen nachtanzen. Während Juan Carlos, ganz Latino-Macho, mit Stolz auf sein Liebesleben zurückblickt und sich keiner Schuld bewusst scheint, wirkt María auch nach all den Jahren noch tief erschüttert von der Trennung. Kral findet für seine Tänzer-Doku einen dramaturgisch flotten Rhythmus und nicht minder überzeugende Bilder, die mit einem exquisiten Soundtrack unterlegt sind. Die nachgestellte „Singing in the Rain“-Einlage à la Tango wirkt dabei so grandios mühelos und prickelnd wie jene echten Bilder der großen Hommage an María Nieves im Luna-Theater, die die Tänzerin gerührt als Video betrachtet.

Deutschland / Argentinien 2015
Regie: German Kral
Darsteller: María Nieves, Juan Carlos Copes, Pablo Verón, Alejandra Gutty, Ayelén Álvarez Miño, Juan Malizia, Pancho Martínez Pey, Johana Copes
84 Minuten
o. A.

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