Francofonia

„Mich interessierte“, sagt Alexander Sokurov „wie der Louvre die Nazi-Besatzung überstehen konnte.“ Und so nähert sich der russische Altmeister in seinem dichtmontierten Bilderessay auf unterschiedlichen doku-fiktiven Ebenen dem Schicksal des Museums während des Zweiten Weltkriegs. Schließlich ist das alte Königsschloss der Franzosen mit seiner Kunst aus verschiedensten Jahrhunderten und Artefakten der Menschheitsgeschichte, noch vor der Antike, zentral für die europäische Identität. In wenigen Stationen fasst der Film seine Geschichte zusammen. Dabei ist er vor allem auch selbst Besucher. Er verharrt vor den Federn der Nike von Samothrake, sucht in den Porträts der italienischen Renaissance nach den Gesichtszügen vergangener Generationen und erkennt die Erhabenheit der Kunst in der Tiefe der großen Galerie. Innig tastet die Kamera die Meisterwerke der europäischen Malerei ab, all die Porträtierten, die uns über die Jahrhunderte hinweg anblicken. Dabei erwacht die Kunst zum Leben. Trotzdem erinnert der versierte Regisseur in seiner Meditation über das Museum an sich auch an die zweifelhafte Entstehung dieser Kulturtempel. Ungeschönt zeigt er den Zugriff der Herrschenden auf die Kunst.

Und so irrt Imperator Napoleon (Vincent Nemeth) als Geist durch die Räume, Krieger und Räuber zugleich. Stolz verweist er ein ums andere Mal auf seine Eroberungen. Nicht nur in seinen Porträts und der berühmten „Kaiserkrönung“ von Jacques-Louis David findet sich der selbstverliebte Herrscher wieder, sondern sogar in da Vincis „Mona Lisa“ . „C’est moi“, kommentiert der Feldherr nahezu jedes Bildnis an den reich behängten Wänden des Louvre. Belebt aber wird Sokurovs cineastische Installation durch eine wahre Geschichte. Sie erzählt davon, wie im Jahr 1940 der für die französischen Kunstwerke verantwortliche Nazi-Offizier Graf Franziskus Wolff-Metternich (Benjamin Utzerath), und der Direktor des Louvre Jaques Jaujard (Louis-Do de Lencquesaing), zu einer stets gefährdeten, aber von gegenseitiger Achtung geprägten Allianz zusammenfinden, um die Sammlung nicht nur vor dem Krieg zu retten, sondern auch weitgehend vor der Gier und den gnadenlosen Raubzügen des nationalsozialistischen Deutschlands. Ohne den katholischen Adeligen zu glorifizieren, schildert Sokurov die Aktionen des für den „Kulturgutschutz“ verantwortlichen Deutschen, der seine Aufgaben bewusst gegen die Interessen Rosenbergs, Görings und Hitlers auslegte.

Frankreich/Deutschland/Niederlande 2015
Regie: Alexander Sokurov
Darsteller: Louis-Do de Lencquesaing, Benjamin Utzerath, Vincent Nemeth, Johanna Korthals Altes, Andrey Chelpanov, Jean-Claude Caer
90 Minuten - ab 12 Jahren

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