Das Märchen der Märchen

Am Hof des Königs (John C. Reilly) amüsieren Gaukler und Akrobaten die Gesellschaft, allein die Königin (Selma Hayek) ist nicht amüsiert: Alles was sie will ist ein Baby, doch um das zu bekommen, muss ihr Gemahl ein Seeungeheuer erlegen, dessen Herz schließlich von einer Jungfrau gekocht werden muss. Der Plan gelingt, doch mit ungeahnten Folgen. Ein anderer König (Toby Jones) ist mehr an seiner Insektensammlung interessiert als am Wunsch seiner Tochter Fenizia (Jessie Cave), einen Gemahl zu finden. Bei einem Quiz soll ein Gatte gefunden werden, doch statt eines schmucken Prinz beantwortet ein hässlicher Oger die eigentlich unmöglich zu beantwortende Frage. Ein weiterer König (Vincent Cassel) verbringt seine Zeit am liebsten mit schönen Frauen. Diesmal hat er sich in eine liebreizende Stimme verliebt, doch die gehört der alten, hässlichen Dora (Hayley Carmichael). Im Dunkeln gibt sie sich dem König hin, dessen Neugier ihm jedoch keine Ruhe lässt: Bei Licht wirkt Dora ganz anders und so wird sie kurzerhand aus dem Schlossfenster geworfen. Doch das bedeutet in diesem Fall nicht ihren Tod, sondern die Verwandlung in eine schöne, holde Maid.

Märchen sind bekanntermaßen moralische Geschichten, die bei aller Gewalt und Brutalität, die ihnen oft eigen ist, all der merkwürdigen Wesen, die sie bevölkern, im Kern geradezu didaktische Intentionen haben. Man darf davon ausgehen, dass es nicht zuletzt dieser Anlass war, den Matteo Garrone nun dazu veranlasste, die Erzählungen von Giambattista Basile zu verfilmen. Seltsam krude wirkt „Das Märchen der Märchen“ oft, was unmittelbar an Pier Paolo Pasolinis „Decameron“ oder „Erotische Geschichten aus 1001 Nacht“ denken lässt. Ähnlich wie dieses große Vorbild hält auch Garrone der zeitgenössischen Gesellschaft den Spiegel vor und erzählt auf mal unmittelbare, mal verklausulierte Weise vom Schönheitswahn, von Eitelkeit, von Missgunst und Gier. So entwickelt sich aus den drei weitestgehend autarken Episoden, die dennoch durch gelegentliches Auftauchen von Figuren in einer anderen Geschichte oder durch visuelle Dopplungen verknüpft sind, ein dichtes Geflecht, das für vielfältige Interpretationen offen ist. Wie tief man in die psychologischen Abgründe der Episoden gehen will bleibt jedem Zuschauer selbst überlassen. Doch auch wenn man nur die Oberfläche von „Das Märchen der Märchen“ betrachtet, bleibt Matteo Garrones Film ein reicher Bilderbogen, gedreht in prächtigen Kulissen, ausgestattet mit prunkvollen Kleidern, schönen und merkwürdigen Gestalten.

Italien 2015
Regie: Matteo Garrone
Darsteller: Salma Hayek, Vincent Cassel, Toby Jones, Shirley Henderson, Jessie Cave, Hayley Carmichael, Alba Rohrwacher, John C. Reilly
Laufzeit: 134 Minuten

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