Freistatt

1968 in der norddeutschen Provinz: Wolfgang ist 14 und einer von vielen, die sich nicht anpassen wollen. Sein Stiefvater schickt ihn, gegen den Willen der Mutter, in ein so genanntes „Fürsorgeheim“ für schwer erziehbare Jugendliche – „Freistatt“, eine Institution mitten im Moor. Der erste positive Eindruck, den Wolfgang beim Empfang durch den rustikal freundlichen Hausvater Brockmann erhält, ist schnell vergangen, denn der angebliche Ausbildungsbetrieb ist nichts anderes als ein Arbeitslager mit militärischem Drill, wo die Jungs unter unmenschlichen Bedingungen Torf stechen. Mit seinem Gerechtigkeitssinn und seinem unbeirrbaren Widerstand macht sich Wolfgang sofort bei den Autoritäten unbeliebt. Nur Anton hält zu Wolfgang, der sich nicht unterkriegen lässt, weder von sadistischen Aufsehern noch von anderen Zöglingen, die sich der Hierarchie gebeugt haben. Noch immer hofft Wolfgang, dass seine Mutter ihn – wie versprochen – nach Hause zurückholt, aber die Zeit vergeht, und Wolfgang denkt an Flucht...

Marc Brummund kann Kino. Seine Ausdruckskraft ist enorm - er findet Bilder, wo ein einziges Wort schon geschwätzig wäre. Weiche Farben, darauf abgestimmtes Licht, dazu als Musik die Mischung aus getragenen Cello- und Pianotönen zusammen mit Popklassikern und nicht zuletzt ein großartiger Filmschnitt durch den viel zu früh verstorbenen Hans Funck schaffen eine unvergleichliche Stimmung von Spannung, Mitgefühl und Wut. Die sparsamen Dialoge sind passgenau auf die Charaktere abgestimmt: Da sitzt jedes Wort. Die düster melancholische Atmosphäre der Anstalt zusammen mit der urwüchsig schönen Landschaft verbindet Marc Brummund in seiner dramatischen Geschichte zu einem Gesamtkunstwerk voll visueller Kraft. Die Darsteller sind großartig ausgewählt. Louis Hoffmann schafft es, den Zeitgeist von 1968 in einer einzigen Figur zu vereinen. Für einen so jungen Schauspieler ist das eine unglaubliche Leistung, die vollkommen zu Recht mit dem Bayrischen Filmpreis für den besten Nachwuchsdarsteller honoriert wurde. Was den außergewöhnlichen Film noch außergewöhnlicher macht, ist neben seinem klug recherchierten realen Hintergrund der Umstand, dass die Leitung der Diakonie Freistatt das Filmprojekt von Anfang an unterstützt hat. So konnten die Aufnahmen zum großen Teil an den erhaltenen Originalschauplätzen entstehen. Die authentische Wirkung ist enorm – die Bilder der schönen, melancholischen Landschaft rund um die beängstigenden Gitterfenster des Heims werden bleiben.

Deutschland 2014
Regie: Marc Brummund
Darsteller: Louis Hofmann, Alexander Held, Stephan Grossmann
108 Minuten
ab 12 Jahren

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