Die Wolken von Sils Maria

Was David Cronenberg recht, ist Olivier Assayas nun billig. Während der kanadische Regisseur den Ex-„Twilight“-Star Robert Pattinson bereits zweifach für sein ambitioniertes Kino recycelt hat, engagiert sein französischer Kollege dessen Vampir-Braut Kristen Stewart. Mit schwarzer Nerd-Brille ausgestattet und der Hand fast nonstop am Handy gibt sie die fleißige Assistentin der berühmten Schauspielerin Maria Enders (Juliette Binoche). Die soll in einer Neuauflage jenes Stückes auftreten, mit dem sie vor zwei Jahrzehnten den großen Durchbruch erlebte. Damals spielte sie die verführerische, ehrgeizige Sigrid, die ihre Chefin Helen in den Selbstmord trieb. Diesmal soll Maria den undankbaren Part der Alten übernehmen, derweil für ihre einstige Paraderolle ein skandalsüchtiges Hollywood-Sternchen (Chloe Grace Moretz) vorgesehen ist. Die Diva scheint nicht unbedingt begeistert, doch mit Engelszungen und reichlich Komplimenten kann der zaudernde Star vom renommierten Regisseur (Lars Eidinger) zum Remake überredet werden. Entspannt begibt sich Maria mit Valentine in die einsame Alpenregion Sils Maria, um sich dort in Ruhe auf das Stück vorzubereiten. Den Part der verführerischen Sigrid übernimmt als Stichwortgeberin ihre treue Sekretärin. Alsbald imitiert das wahre Leben zunehmend die Kunst...

Was gefährlich nach seifenopernhafter Schmonzette klingen mag, entpuppt sich dank der beiden exzellenten Darstellerinnen sowie der eleganten Inszenierung als vergnüglich selbstironisches Vexierspiel über Alter, Jugend und Versagensängste sowie als amüsante Gefühlsschlacht mit geschliffenen Dialogen. Gleichfalls unter erhöhtem Kitschverdacht könnte das berühmte Naturschauspiel der aufziehenden Wolkenbänder in den Oberengadiner Tälern stehen, zumal wenn es mit pompös barocken Pachelbel-Klängen von dessen „Kanon in D-Dur“ unterlegt ist. Hier zaubert Assayas freilich elegant einen kreativen Entschuldigungsbrief aus dem Hut: Vor seiner eigenen, titelgebenden Himmels-Show zeigt er als Reverenz die Original-Ausschnitte aus dem Kurz-Dokumentarfilm „Das Wolkenphänomen von Maloia“ des Bergfilm-Pioniers Arnold Fanck. Dieses cineastische Juwel kam als Stummfilm anno 1924 noch ohne Soundtrack aus, doch die Zeiten ändern sich - so auch für Maria, die sich diese bittere Wahrheit schnippisch von der Nachwuchs-Diva sagen lassen muss.

Frankreich 2014
Regie: Olivier Assayas
Darsteller: Juliette Binoche, Kristen Stewart, Chloe Grace Moretz, Hanns Zischler, Lars Eidinger, Angela Winkler
123 Minuten
FSK: 6

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