Höhere Gewalt

Eine schwedische Familie auf Skiurlaub im französischen Luxusresort: In einheitlich blauer Skiunterwäsche stehen sie vor dem riesigen Spiegel ihres schicken, durchdesignten Apartments, ein Bild der Harmonie. Ebba, Papa Tomas und die selbstverständlich gut erzogenen Kinder genießen ihren Urlaub. Dann der Schock: Während des Mittagessens droht eine Lawine die Terrasse mitsamt den darauf speisenden Gästen zu überrollen. Mutter Ebba wirft sich über ihre Kinder, und Papa Tomas … der läuft einfach weg. Alles geht gut. Als sich die Schneewolke verzogen hat, kehren die Touristen zurück an den Esstisch und speisen munter weiter, als wäre nichts geschehen. Doch irgendetwas hat sich verändert. Ebba hat Tomas‘ Flucht bemerkt – er selbst weiß gar nicht, was er im Moment des Schreckens getan hat. Vielleicht könnte alles weitergehen wie bisher, aber Ebba kann den Mund nicht halten und erzählt von nun an jedem, der es hören oder nicht hören möchte, von Tomas‘ Versagen als Mann und Familienvater...

Ruben Östlund ist nicht nur ein hoch talentierter Filmemacher, sondern auch ein sehr guter Menschenkenner. Er serviert dem Publikum eine scheinbar unverrückbar harmonische Familie, führt sie in eine nur Sekunden währende schwierige Situation. Bildlich gesprochen zerdeppert er das Geschirr und führt dann die liegen gebliebenen Scherben vor. Wie bei einer Zwiebel entfernt Östlund Schicht um Schicht von der perfekten Hülle, bis nur noch ein winziger Kern übrig ist: das einsame Menschlein, der demontierte Mann in seiner ganzen Verwundbarkeit. Johannes Bah Kuhnke spielt den armen Kerl, der anfangs noch ein stolzer Familienvater ist und wenig später darauf angewiesen sein wird, dass seine Frau Ebba (sehr straight und herrlich nervig: Lisa Loven Kongsil) sich seiner erbarmt. Das Buch ist sehr klar strukturiert, eingeteilt in einzelne Tage; die Dialoge sind eher sparsam. Im Vordergrund steht aber die ausgefuchste Bildästhetik: Für seinen Tatort – die französischen Alpen in ihrer ganzen Pracht – wählt Östlund wunderbar kalte, grausam schöne Bilder aus der alpinen Wintersportmaschinerie. Ruben Östlund präsentiert in fantastischen Bildern ein boshaftes Familiendrama, das durch seine raffinierte Symbolik ebenso begeistert und unterhält wie mit seiner eisklaren Spannung.

Schweden, Dänemark, Frankreich, Norwegen 2014
Regie und Buch: Ruben Östlund
Darsteller: Johannes Bah Kuhnke, Lisa Loven Kongsli, Kristofer Hivju, Clara und Vincent Wettergren
Laufzeit: 118 Minuten

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