Ida

Polen Anfang der Sechziger Jahre. Anna (Agata Trzebuchowska) ist eine junge Novizin, aufgewachsen im kargen Umfeld der Klostermauern, die kurz davor steht, in ihrem Gelübde jenes Dasein der Enthaltsamkeit und Devotion für den Rest ihres Lebens zu besiegeln. Doch es stellt sich heraus, dass sie noch eine lebende Verwandte in der Stadt hat, so dass die Äbtissin sich nicht mehr gezwungen sieht für das junge Mädchen zu sorgen und es zu dieser entsendet. Die Begegnung mit ihrer Tante Wanja (Agata Kulesza), die sich als Schwester ihrer Mutter herausstellt, fällt unterkühlt aus und irritiert Anna zunächst. Die mondäne Frau könnte nicht grundverschiedener von ihr sein - in ihrer eleganten Stadtwohnung gehen die Liebhaber ein und aus und auch anderen Lastern ist die sich hinter ihrem Zynismus versteckende Alkoholikerin nicht abgeneigt. Erst nach und nach entdeckt Anna einige erstaunliche Zusammenhänge, darunter auch die jüdische Herkunft ihrer Familie, ihren richtigen Namen, Ida, und das ungeklärte Ende aller nächsten Anverwandten. Zunächst voller Unverständnis für den überzeugten Glauben ihrer Nichte, überwindet sie schließlich ihre Distanz und willigt ein, Anna auf der Suche nach dem Verbleib ihrer Eltern zu helfen.

Aus diesem Szenario entwickelt sich jedoch nur für einen Teil des Films so etwas wie ein Road Movie - "Ida" widersteht allen allzu leichten Einordnungen in ein bestimmtes Genre, ja sogar in den zeitgenössischen polnischen Film selbst, zugunsten einer wunderbaren Eigenwilligkeit, die stellenweise eher Momente der Nouvelle Vague aufruft. Es sind zwei faszinierende und konträre Charaktere, die Regisseur Pawlikowski in seiner Geschichte entwickelt, hervorragend besetzt, vielschichtig und in ihrer Entwicklung überraschend. Keine Kamerabewegung ist unnötig, jede Einstellung eine komplexe Komposition mit hohem künstlerischen Abstraktionsgrad. Es sind solche Verdichtungen von Bild und Handlung, die den Zuschauer völlig in ihren Bann zu schlagen vermögen und das Gefühl vermitteln, man würde in ein altes, lange vergessenes Familienalbum eintauchen und eine andere Zeit einatmen. „Ida“ ist ein kleiner, stiller Film mit großer Wirkungskraft – vollkommen zurecht mit dem Kritikerpreis beim Toronto Filmfestival ebenso wie in London und Warschau ausgezeichnet.

Polen, Dänemark 2013
Regie: Pawel Pawlikowski
Mit Agata Kulesza, Agata Trzebuchowska, Joanna Kulig
Laufzeit: 80 Minuten

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